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Beitrag vom 22.02.2006
Last Minute
Karin Effing
Die Regisseurin Marina Caba Rall beobachtet in ihrem Diplomfilm die Begegnung zwischen zwei Reinigungskräften und einem von Abschiebehaft bedrohten Kurden. Ein kleiner aber feiner politischer Film.
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Petra Kleinert als Heike Eggert |
Was passiert, wenn zwei Reinigungskräfte in der Besenkammer auf einen von Abschiebehaft bedrohten Kurden treffen? Der Film "Last Minute" lotet diese Frage aus und unterhält die Zuschauerin durch genaue, leichte und sensible Beobachtungen.
Heike Eggert (Petra Kleinert) heißt die eine der beiden weiblichen Protagonistinnen. Seit zwanzig Jahren sorgt sie auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld für Sauberkeit. Die Mittvierzigerin ist von ihrem Leben mit Ehemann und zwei Kindern genervt. Um ihrem tristen Alltag zu entfliehen, träumt sie sich nach Mallorca, das in ihrer Phantasie von braungebrannten Männern in knappen Badehosen bevölkert ist. An diesem Morgen muss sie die vorbestrafte
Nina Winter (Katharina Schmalenberg) einarbeiten, wozu sie so gar keine Lust verspürt. Zumal sie im Laufe des Vormittages herausbekommt, dass ihr Mann sie belügt und wahrscheinlich mit einer anderen Frau fremdgeht. Die junge Nina hat den Job am Flughafen Berlin-Schönefeld vom Arbeitsamt aufgezwungen bekommen und noch dazu an diesem Morgen erfahren, dass sie schwanger ist.
Sie will das Kind so bald wie möglich loswerden…
Bei der routinierten Arbeitseinweisung in der Abstellkammer entdecken die beiden Frauen einen ca. 35-jährigen, großen, dunkelhaarigen Mann in Handschellen, der nur gebrochen deutsch spricht.
Der Kurde
Kawa (Ercan Durmaz) wird von der Polizei gesucht. Der Flughafen ist abgeriegelt.
Er behauptet, ungerechtfertigter Weise in die Türkei abgeschoben zu werden und dort als Kurde von Folter bedroht zu sein. Während Nina dem Fremden glaubt, ist Heike voller Vorurteile - ist er vielleicht gar ein Terrorist? Sie will den Mann am liebsten der Polizei ausliefern. Aber falls er die Wahrheit sagt, was tun? Auf beengtem Raum beginnt sich anfängliches Misstrauen in Neugierde füreinander zu verwandeln. Und es entsteht ein spannendes, konzentriertes und unterhaltsames "Besenkammerspiel".
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Ercan Durmaz als Kawa Yilmaz |
Die Welt der Putzfrauen war der
Regisseurin Marina Caba Rall nicht fremd:
"Während meines ersten Studiums hatte ich auch ab und zu als Putzfrau gejobbt. Ich fand es immer sehr faszinierend, dass Putzfrauen überall hineinkommen. Sie haben Schlüssel für alle Türen, kommen in alle Räume, sehen viele Dinge und gehören dennoch eher zum Mobiliar als zum Personal. Sie werden gar nicht als Menschen wahrgenommen. Ich fand die Konstellation sehr reizvoll, dass Kawa ausgerechnet auf zwei Putzfrauen trifft, deren Arbeit so wenig gewürdigt wird und die sich ungehindert und unauffällig durch den ganzen Flughafen bewegen können. Diese beiden Frauen treffen auf jemanden, der in einer schlimmeren Lage ist als sie selbst, entdecken ihre "Schlüssel-Gewalt", werden sich plötzlich ihrer Möglichkeiten bewusst und handeln. Wobei vor allem Frau Eggert mit ihren Vorurteilen und ihrem unreflektierten Rassismus eine harte Nuss ist, bei der man lange nicht weiß, ob sie sich knacken lassen wird oder nicht.
Das Aufeinandertreffen dieser verschiedenen Welten und der drei so unterschiedlichen Menschen erlaubte mir beim Schreiben immer wieder Spannungsmomente und komische Elemente einzubauen. Und es erlaubte mir damit der Schwere des Themas eine Leichtigkeit zu geben, die nicht zur Resignation führt, sondern hoffentlich Mut macht und Lust. Lust auf kleine Taten, die viel bewirken können."Preise und Festivals:
Last Minute wurde auf dem
12. Internationalen Frauenfilmfestival Feminale Köln 2004 mit dem Debütpreis, beim
Bi-nationalen Filmfestival Durban (Südafrika) 2004 mit dem feature film award, beim 2.
Skip City International D-Cinema Saitama (Japan) 2005 mit dem Preis best new director und mit dem Niedersächsischen FrauenMedienPreis "Juliane-Bartel" 2005 ausgezeichnet.
Außerdem wurde Last Minute auf zahlreichen Festivals gezeigt, darunter beim Kurdischen Filmfestival Berlin im September 2004 als Eröffnungsfilm und beim Internationalen Independent Filmfestival Brüssel 2004.
Zur Regisseurin:
Marina Caba Rall wurde 1964 in Madrid geboren und wuchs in Madrid und Tübingen auf. Studium (Geschichte, Theater- und Filmwissenschaft, Philosophie) mit Magisterabschluss an der FU - Berlin 1992. 1993-2003 Geschichts- und Philosophiedozentin an der VHS Tiergarten/Berlin. 1994-2003 Regiestudium an der HFF "Konrad Wolf" in Potsdam-Babelsberg. Seit 2004 freischaffende Autorin und Regisseurin. Mitglied im Bundesverband Regie (bvr).
AVIVA-Tipp: Last Minute von Marina Caba Rall ist ein stiller Film, der seine dem Alltag entnommenen Figuren genau beobachtet. Das Aufeinandertreffen der zwei Reinigungskräfte mit dem von Abschiebehaft bedrohten Kurden entfaltet die menschlichen Verhaltensmöglichkeiten von Vorurteil und Angst, aber auch Hilfsbereitschaft und Menschlichkeit. Unterhaltsam und anrührend.
Last MinuteDeutschland 2004, 82 Minuten
Regie und Drehbuch: Marina Caba Rall
Kamera: Alexandra Kordes
Musik: Markus Glunz, Tillmann Ritter
Produzenten: Kristov Brändli, Rudi Teichmann
Koproduzent: Holger Lochau
DarstellerInnen: Petra Kleinert, Katharina Schmalenberg,
Ercan Durmaz, Roberto Guerra, Thomas Schmuckert
Kinostart: 23. Februar 2006
Weitere Infos zum Film im Netz unter http://last-minute-der-film.de